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Den Müllverbrennern die rote Karte zeigen – vom 18.02.94

Am 18.Februar.1994 veröffentlichte die Paderbornder „Neue Westfälische“ diesen Leserbrief zum Thema Müllverbrennung. Damals wusste ich noch nichts vom Kryo- Recycling für Kunststoffe und Elektroschrott, dass ich erst im Herbst 1996 auf dem ÖDP- Parteitag in Lehrte kennen lernte. Aber die ÖDP und der Arzt Hans Mangold kämpften schon damals gegen die Müllverbrennung und unnötige Müllerzeugung. Im Kreis Gütersloh sollte damals eine MVA entstehen und auch in Paderborn wurde nach Wegen gesucht, den Müll möglichst in anderen Kreisen verbrennen zu lassen.

Betrifft: Bericht „Müllverbrennung ist beste und preiswerteste Lösung“ in der NW Ausgabe vom 24. Januar.

Mit der Feststellung, dass „die Deponie von heute die Altlast von morgen ist“, sagt Herr Stroetmann nichts neues. Umweltschützer beklagen schon seit mindestens 20 Jahren den verschwenderischen Umgang mit unseren Ressourcen. Aber die Müllverbrennung ist keine Lösung des Problems, sondern nur eine konsequente Fortsetzung des Verschwendungsdwahnsinns unserer Generation. Parteien, die Müll verbrennen wollen, verdienen weder das Etikett christlich, noch das Etikett sozial. Das Umweltbundesamt geht davon aus, dass ohne Müllverbrennung die Müllmenge auf 20% reduziert werden kann.

Ernst Ulrich von Weizsäcker sagte zu dieser Problematik: „1000 Kilo Abfall sind 700 Kilo falsche Rahmenbedingungen, 200 Kilo Denkfaulheit und 100 Kilo Restmüll.“ Für die Behandlung dieses Restmülls gibt es umweltfreundlichere Verfahren, als die Müllverbrennung. Die kalte biologisch mechanische Verrottung der Restabfälle schafft einen deponiefähigen Reststoff, ohne das neue giftige Filterstäube entstehen.

Die Investitionskosten und die Behandlungskosten der Abfälle sind bei der Verrottung viel niedriger, als bei der Verbrennung. Das stört aber die Politiker von CDU und SPD nicht, da letztlich die Bürger über die Müllgebühren den Verbrennungsschachsinn bezahlen müssen.

Die Ökologisch Demokratische Partei (ÖDP) fordert schon seit 1983 eine ökologische Steuerreform. Diese sorgt dafür, dass die Unternehmen und Verbraucher an der Müllvermeidung Interesse haben und die Müllmenge durch bessere Produktionsverfahren reduzieren. Auch der „Grüne Punkt“, den Her Stroetmann als „Segen“ bezeichnet, wird dann überflüssig. Mit dem „Grünen Punkt“ wird den Leuten beim Einkauf nur Geld aus der Tasche gezogen, um damit fragwürdige Recyclinganlagen zu bauen. Diese werden bald als Investitionsruinen enden, wenn durch die Ökosteuern die Einwegverpackungen weitgehend durch Mehrwegsysteme ersetzt wurden.

Zu beklagen brauchen sich die Menschen über diese Politiker nicht, weil seit Jahren die hier genannten Dinge bekannt sind. Wer die mit der Verpackungs- und Müllverbrennungsindustrie verfilzten Parteien wählt, braucht sich nicht zu wundern, wenn er und die Umwelt den kürzeren ziehen. Aber im Superwahljahr 1994/95 besteht vielleicht die letzte Chance, den Müllverbrennern die „Rote Karte“ zu zeigen.

Felix Staratschek, damals im Riemekeviertel in Paderborn wohnend.

Eisenbahn: Gesamtkonzept statt Grabgesang – vom 26.03.94

Mehrmals fanden die Redakteure des Westfalenblattes meine Leserbriefe so gut, dass diese im Hauptteil der Zeitung nicht nur als Leserbrief, sondern als „Gastkommentar“ veröffentlicht wurde. Mindestens einmal ist mir Kommentar entgangen, da ich nicht in Paderborn anwesend war. Am 26. März 1994 war ich mit Foto und meiner Antwort auf meine Lieblingskontrahentin in Paderborn veröffentlicht.

Nach Auffassung der verkehrspolitischen Sprecherin der FDP- Landtagsfraktion in Düsseldorf, Marianne Thomann Stahl (Paderborn) müssen nach der Regionalisierung des Personennahverkehrs auf der Schiene vermutlich 50% der Strecken aus Kostengründen stillgelegt werden. Die von der (christlich liberalen) Bundesregierung (unter Bundeskanzler Helmut Kohl) zugesagten Gelder reichten nicht aus, das bisherige Nahverkehrsangebot aufrecht zu erhalten. Dagegen wendet sich im folgenden Felix Staratschek, Eisenbahnexperte aus Paderborn.

Das kann ja wohl nicht wahr sein: Frau Thomann Stahl meint, Bonn hätte die unrentablen Strecken stilllegen müssen. Das Defizit der Bahn konnte durch die Streckenstilllegungen der vergangenen Jahre nicht gesenkt werden. 1982 plante man, 30% des Schienennetzes stillzulegen, um sage und schreibe drei Prozent des Bahndefizites abzubauen!
Die Gründe der Bahnmisere liegen zu großen Teilen in der Politik. Die Infrastruktur wurde vernachlässigt und auch die Entwicklung sparsamer Bahntechniken für den Personenverkehr und die Güterlogistik fand praktisch nicht statt. Die Politik setzte auf das Auto und stufte die Bahn immer mehr zu einem Verkehrsmittel für Ballungsräume und den Fernverkehr zurück.
Kreise und Gemeinden haben sich häufig gegen Streckenstilllegungen gewehrt. Allerdings waren sie selten dazu bereit, sich wirklich zu engagieren. Denn Geld gab es nur für Regionalstraßen und nicht für Regionalbahnen.
Auch die Parteien haben versagt und für den Verkehr oder für die Bahn kein Gesamtkonzept zustande gebracht. Was uns die Bahnreform noch alles beschert, werden wir erst nach dem Superwahljahr sehen. Bonn hat sich dezent aus der Verantwortung gezogen und den Nahverkehr in regionale Hände gegeben. Das gewohnte Bild der Bahn wird von vielen regionalen Bahngesellschaften mit regional verschiedenen Tarifen abgelöst werden.
Für die Fahrgäste ist aber ein bestmöglich aufeinander abgestimmter Fahrplan notwendig. kann man in Zukunft noch, wenn man einen „Interregio“ verpasst hat, mit dieser Fahrkarte noch den Nahverkehrszug nutzen? Wie sehen die Regelungen für den „Supersparpreis“, das „Guten Abend Ticket“ und die Bahncard aus?
Der Nahverkehr ist nicht vom Fernverkehr zu trennen, weil die Reisen bereits zu Hause und nicht erst am Hauptbahnhof beginnen. Desweiteren ist der Nahverkehr der Verkehr, den wir täglich brauchen, um zur Arbeit, Schule, zum Einkauf oder Besuchen zu gelangen. Der Fernverkehr spielt dagegen bei der Mehrheit nur eine geringe Rolle. Daher ist es unbegreiflich, das die Minderheit der Fernverkehrskunden vor der Mehrheit der Nahverkehrskunden bevorzugt wurde.
Dabei muss mit dem Märchen aufgeräumt werden, der Nahverkehr der Bahn sei der Defizitmacher. Die Bahn erreichte im Nahverkehr zwar nur einen Kostendeckungsgrad von nur 20 bis 30%, bekam aber aufgrund einer EG- Verordnung dafür Ausgleichszahlungen , die den Kostendeckungsgrad auf 70 bis 80% steigerten. Die verbleibenden 20 bis 30 Prozent könnten durch eine Modernisierung der Bahnstrecken weitgehend beseitigt werden. Das Geld, dass früher nach der alten EG- Verordnung an die Bahn gezahlt wurde, erhalten nun regionale Institutionen, die damit den Schienenverkehr für ihre Region „einkaufen“ sollen.
Unrentable Bahnstrecken sind im Personenverkehr übrigens nichts Neues. Viele Strecken konnten früher nur im Personenverkehr betrieben werden, weil die Bahn im Güterverkehr so viel verdiente. Auch hier könnte die Bahn wieder besser werden. Techniken zum schnellen Verladen von Containern und kleinen Logistikboxen gibt es schon seit Jahren auf dem Reißbrett. Auch viele Privatbahnen schaffen es trotz der derzeit schlechten Rahmenbedingungen, im Güterverkehr zu überleben.
Wenn also die Forderungen des deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung an die EU und die Bundesregierung erfüllt würden und die Güterbahn grundlegend modernisiert würde, könnten die regionalen Bahnbetreiber hier einiges hinzu verdienen. Anstatt den Grabgesang auf die westfälischen Bahnstrecken anzustimmen, sollte die FDP lieber ein Gesamtkonzept für alle poltischen Ebenen vorlegen, das den Bestand dieser wichtigen Infrastruktur sichert.

Paderborn: Liboriberg für Autos sperren – mein Vorschlag für den ÖPNV in der Stadtmitte vom 18.07.1994

Ein Leserbrief von mir in der Neuen Westfälischen nahm am 18.07.94 Stellung zur Diskussion um das Paderborner Dauerthema „Führung der Linienbusse in der Paderborner Innenstadt.

Derzeit streitet man sich in Paderborn, wie in Zukunft die Busse der PESAG (heute Padersprinter) durch die Innenstadt geführt werden sollen. Die derzeitige Umleitung der Busse wäre auf die Dauer mit Sicherheit die schlechteste Lösung.
Zur Auswahl stehen dann zwei Möglichkeiten:
1. die alte Lösung dass fast alle Busse durch die Innenstadt über den Rathausplatz fahren und
2. die Führung der Busse über den Liboriberg.
Wofür man sich entscheidet, hängt davon ab, welche Aufgaben man mit dem öffentlichen Verkehr abdecken will. Wenn der Busverkehr nur die Innenstadt erschließen soll, um Kunden zu den Geschäften zu bringen, muss der Bus wie bisher durch die Innenstadt fahren.
Wenn aber die Busse künftig verstärkt von Fahrgästen genutzt werden sollen, die nicht nur in die Innenstadt wollen, ist es sinnvoller die Busse über den Liboriberg zu führen. Allerdings müssen dafür einige Voraussetzungen erfüllt sein, damit dies wirklich den Fahrgästen zugute kommt.

1. Der Liboriberg muss für den PKW- Durchgangsverkehr gesperrt werden. Dadurch werden die Busse nicht mehr vom Autoverkehr behindert. Die Straße kann ohne Ampeln von den Fußgängern schnell und Gefahrlos überquert werden.

2. Das ist die Voraussetzung für die neue zentrale Busstation am Rosentor. Hier müssen großzügige Warteräume entstehen. Ein Aufenthaltsraum mit Fahrkartenverkauf, Fahrplanberatung (Fahrpläne aus ganz Deutschland) sowie ein Verkauf von Getränken und kleinen Speisen in den Schwachlastzeiten sind unverzichtbar für einen guten Service.

3. Durch den Fahrkartenverkauf, durch Automaten, durch die neue Wegführung und durch die Verkehrsberuhigung werden die Busse beschleunigt. Busspuren und Ampelvorrangschaltungen können weitere Zeitersparnisse bringen. Die Fahrt durch die Innenstadt kann um 5 Minuten verkürzt werden. Diese Zeit kann für dichtere Fahrpläne oder Linienverlängerungen genutzt werden.

4. Der Wochenmarkt soll vom Domplatz zum Liboriberg verlegt werden. Dann brauche die Innenstadtbesucher die mit Lebensmitteln beladenen Einkaufstaschen nicht mehr so weit tragen, wie zur Zeit, da der neue Busbahnhof und der neue Markt direkt nebeneinander liegen. Die Wege in die Innenstadt bleiben über die Liboristraße und die Rosenstraße erträglich.

5. Eine kostenlose Stadtbuslinie, die über die Parkgebühren finanziert wird, soll noch in einer Richtung durch die Innenstadt fahren. Die Linie soll alle Parkhäuser, den Bahnhof und die neue Zentralstation am Rosentor im 5 Minutentakt mit der Innenstadt verbinden. Folgenden weg schlage ich vor: Liboriberg – Busdorfwall – Giersstraße – Kamp – Marienstraße – Westernmauer – Kisau – Heierswall – Friedrichstraße – Imadstraße – Riemekestraße – Hautbahnhof – Liboriberg.

Auf diesen Brief antwortete in der NW vom 22.07.94 das CDU- Mitglied Johannes K.:

Kein Recht, Auto zu vergraulen

Herr Staratschek, sie besitzen wohl kein eigenes Auto, aus welchen Grund auch immer? deshalb haben Sie aber noch lange nicht das recht, dass Sie der Allgemeinheit das Auto noch mehr vergraulen wollen, indem Sie laut fordern, dass die sehr wichtige Hauptstraße Liboriberg für den Autoverkehr gesperrt wird und nur für Busse frei befahrbar sein soll.
Weiter fordern Sie, dass der Wochenmarkt vom Domplatz zum Liboriberg verlagert wird, weil dann Markt und der von ihnen fantasierte Busbahnhof Rosentor direkt nebeneinander liegen würden. Wo man wohl darüber nachdenken könnte, wäre, dass man den Wochenmarkt vom Domplatz zum Königsplatz verlagern könnte. Ich halte es für sinnvoll, dass der in Zukunft zur Fußgängerzone umgestaltete Kamp und der bis zur Baumaßnahme von Bussen befahrene teil der Westernstraße zur Sicherheit der Fußgänger frei von Bussen bleibt. Die Buszentralstation an der Marienstraße unter dem Königsplatz muss aber in Zukunft wieder nach Möglichkeit von allen in der Friedrichstraße verkehrenden Bussen angesteuert werden.
Da die Kamp- Busse, etwa 450 täglich, über den Le Mans Wall und Liboriberg geführt werden müssen, muss der Liboriberg und der Le Mans Wall um etwa 3 Meter verbreitert werden, um an der Nordseite eine eigene Busspur anlegen zu können., damit sich der PKW- und der starke Busverkehr nicht gegenseitig behindern.
Und nun noch ein Satz zur Kassler Tor- Brücke. Die Kassler Tor Brücke über die Eisenbahn muss vierspurig ausgebaut werden, da nur so ein Reibungsloser PKW- und Busverkehr möglich ist. Doch leider fordern Lackmann und Co immer noch einen zweispurigen Bau der Brücke, bei solch einer Bündnisgrünen Lösung nutzen die besten Busfahrpläne nichts, weil sich die Busse dabei weiterhin wie bisher verspäten, weil sie dann weiterhin wie bisher im Stau warten müssen.

Am 5.08.94 veröffentlichte die Neue Westfälische dazu meine Antwort.

Schönere Stadt, besseres Klima

Herr K. hat recht, ich besitze kein Auto, wie viele in unserer Gesellschaft. Sie „Allgemeinheit“ mit Autofahrern gleichzusetzen ist sehr bedenklich. Über 60% der Paderborner besuchen schon heute die Innenstadt ohne Auto. Sozialdata ermittelte, dass die meisten Politiker glauben, die Bürger wollen vor allem das Auto gefördert sehen. Sozialdata ermittelte jedoch, dass die Mehrheit der Bevölkerung einen Vorrang des ÖPNV wünscht.

Der Erfolg der ersten autofreien Wohnsiedlung in Bremen spricht für sich, nicht nur mit niedrigeren Baukosten. Es geht nicht darum,das „Auto zu vergraulen“, sondern darum, Wege zu finden, wie man mit weniger Autofahrten oder ohne Auto einfacher leben kann. Weniger Autoverkehr muss nicht einmal Verzicht heißen, da eine schönere Stadt und ein besseres Klima allen zugute käme. Es schimpft heute jeder über die vielen Autos und den Sommersmog, es will aber niemand den Anfang machen und sich für einen Rahmen einsetzen, der uns vom Auto unabhängiger macht.

Die CD hat in der Vergangenheit aktiv die Kunden der Eisenbahn vergrault. Man sprach vom Haushaltsrisiko Bahn und wollte durch die Stilllegung von 30% des Schienennetzes 3% des Zuschussbedarfes einsparen. Schlechte Fahrpläne, riesige schienenfreie Räume und verfallene Bahnstrecken sind die Folge dieser Politik und haben mit zu unserem heutigen Verkehrschaos geführt. Veraltete bahnstrecken sind extrem teuer im Betrieb, so dass einem Maximum an Steuergeldern ein Minimum an generierten Nutzen gegenübersteht. Solche Bahnstrecken, wie die Sennebahn, nicht zu modernisieren, ist eine riesige und sinnlose Verschwendung von Steuergeldern.

Der Liboriberg ist auch keine „wichtige Straße“. Er gehört zu den schwächer belasteten Teilen des Inneren Ringes. Eine Sperrung würde nicht zu einem Verkehrschaos führen, da viele Autofahrten auf die äußeren Ringe verlegt werden könnten. Die Buslinien werden durch die kurze und schnelle Streckenführung wesentlich attraktiver. Alle Parkplätze und Parkhäuser sind auch bei einer Sperrung des Liboriberges für die Autos leicht erreichbar. Niemand wird durch diese Unterbrechung einer Straße am Autofahren gehindert. Aber die Buslinien werden dadurch endlich attraktiver.

Herr K. meint dass ich den Bahnhof Rosentor „fantasiere“, der in meinem Brief gar nicht vorkam. Ich bin froh darüber, dass ich noch Fantasie habe. Ein Bahnhof am Rosentor würde den Hauptbahnhof beim Fahrgastaufkommen in den Schatten stellen und der Innenstadt viele neue Kunden bringen. Ich habe zur Zeit im Stadtarchiv in Detmold zu tun und fahre mit der Bahn dorthin. Jeden Tag fahre ich zwei mal an der Innenstadt vorbei, ohne eine Chance zum Aussteigen. Platz ist genug da und die Liborikapelle ließe sich auch verschieben, wenn es denn sein müsste.

es gibt in Paderborn viel Geld für neue umweltschädliche Parkhäuser und Flughäfen, während die umweltfreundliche Eisenbahn auf der Strecke bleibt. Wenn der Liboriberg heute schon für den Durchgangsverkehr gesperrt wäre und den neuen zentralen Busbahnhof beherbergen würde, gäbe es mit Sicherheit große Proteste, wenn diese Straße generell für PKW- Durchgangsfahrten geöffnet würde. Andere Städte belegen, dass hierfür nicht mal Fantasie nötig ist. Und das gilt ja auch für Paderborn, wo diese Sperrung während des Liborifestes jährlich stattfinden, ohne dass das Leben in der Stadt zusammen bricht. Während dieser Woche können auch die Busse umgeleitet werden, um dann aber den Rest des Jahres wesentlich schneller in der Stadt unterwegs zu sein.

Abs. Felix Staratschek, damals in der Riemekestraße in Paderborn zu Hause.

Paderborn 2010 – Eine Vision zur Stadtentwicklung aus dem Jahr 1994

Dieser Text wurde in der Juni- Ausgabe der Zeitschrift SCHIENE 1994 veröffentlicht. Wahrscheinlich müsste er heute fast unverändert „Paderborn 2030 heißen.

Von Felix Staratschek

Die Wochenendplanung ist nicht einfach. Nein, nicht deshalb, weil ich wie immer mehr Paderborner kein eigenes Auto besitze, sondern weil die vielen Möglichkeiten, die sich einem anbieten, die Entscheidung erschweren. An die schrecklichen Zeiten von 1994 erinnern sich die Paderborner nur mit Schaudern zurück. Heute ist das ganze Hochstift aber von einem guten öffentlichen Verkehr erschlossen. Selbst die Streusiedlung um Delbrück wird mit einem Anrufsammeltaxi alle halbe Stunde erschlossen. Die neue Buslinie Hövelhof – Delbrück – Salzkotten fährt ebenso häufig, um ein Beispiel zu nennen. Das Fahrrad ist ein wichtiger Zubringer zur Buslinie. Bei vielen Bauernhöfen können Pendler und andere Fahrgäste ihr Rad für 1 DM oder eine Jahreskarte von 100 DM sicher unterstellen. Bis um Mitternacht fahren von Paderborn Busse und Anrufsammeltaxen in alle Nachbarorte ab. Am Wochenende gibt es bis 2 Uhr noch Nachtfahrten.

Aber nun zum wichtigsten. Während mittlerweile in der Stadt Radfahrer und Fußgänger dominieren, ist das Rückgrat des öffentlichen Verkehrs der Schienenverkehr. Dieser bietet mehr Komfort als Straßenfahrzeuge und er bietet auf ausgebauten Strecken schnelle Regionalverbindungen. Neue kleine Triebwagen sausen von Haltestelle zu Haltestelle. Durch Automatikkupplungen können die schnell zu kleinen Zügen zusammengestellt werden. es wird heute nicht mehr an allen Haltestellen ständig gehalten. Trotzdem wurden viele geschlossene Bahnhöfe wieder geöffnet. Bedarfshaltestellen, bei denen der Triebwagen nur hält, wenn jemand am Bahnsteig oder im Zug den Haltewunschknopf drückt, ermöglichen es, viele Orte wieder an die Schiene anzubinden.

In Paderborn fahren die Triebwagen meist als Doppel-oder Dreiereinheit ab. So fährt die Sennebahn zwischen Paderborn und Hövelhof immer zeiteilig. In Hövelhof werden die Züge getrennt, ein Triebfahrzeug fährt weiter nach Bielefeld, das andere nach Gütersloh. Große digitale Zuglaufschilder verhindern, das Fahrgäste den falschen Wagen besteigen.

Von Paderborn nach Brilon Wald wird auch sehr oft im Zugverband gefahren. So gibt es des öfteren Züge aus drei Triebwagen, von denen einer ab Brilon Wald nach Arnsberg, einer nach Winterberg und einer über Korbach nach Marburg fährt. In Winterberg haben die Fahrgäste Anschluss zum Schnellbus nach Bad Berleburg, wo der Eilzug nach Siegen schon am Bahnsteig wartet. So schnell und preiswert, wie heute, konnte man das Siegerland von Paderborn aus noch nie erreichen. Besonders wichtig für den Tourismus im Sauerland sind die Eiltriebwagen Bremen – Bielefeld – Winterberg. In Bielefeld hat der Triebwagen Anschluss an den ICE von Berlin. Umgekehrt fahren Küstenurlauber mit diesem Zug aus dem Sauerland und Ostwestfalen nach Norden.

Auch aus Richtung Osten ist der Verkehr besser geworden. Die Bahnstrecke Altenbeken – Ottbergen – Nordhausen wurde elektrifiziert. Mehrmals Täglich verbinden Pendolinizüge Paderborn mit Halle. Um die Bahnstrecke Paderborn – Soest zu entlasten, wurde die Obere Ruhrtalbahn und die Strecke Scherfede – Holzminden für den Güterverkehr und Fernzüge elektrifiziert und das zweite Gleis wieder hergestellt. Fast wären die Grundstücke, auf denen das zweite Gleis früher verlief, von der Eisenbahnvermögensverwaltung verkauft worden, aber Proteste vom VCD, dem ADFC und von PRO BAHN konnten das zum Glück verhindern.

Zwischen Paderborn und Altenbeken fahren jetzt oft sechs Triebwagen als Zug. In Altenbeken werden die Triebwagen nach Hannover (über Hameln), nach Herford (über Detmold) und nach Kassel (über Warburg) abgekuppelt. Der Zug Richtung Warburg hat zahlreiche Bedarfshaltestellen in der Egge. Die Züge nach Herford werden ab Detmold von weiteren Triebwagen verstärkt, damit alle Fahrgäste einen Platz finden. In Ottbergen fährt ein Triebwagen weiter nach Höxter und Kreiensen. Die beiden anderen Triebfahrzeuge bleiben noch bis Bodenfelde zusammen, wo eines nach Göttingen, das andere nach Northeim und Nordhausen fährt. Auf allen zweigleisigen Strecken fährt die Bahn durchgehend im 30 Minutentakt, auf anderen Strecken mindestens im Stundentakt. darüber hinaus gibt es noch Eilzüge.

Früher hätte so ein Angebot niemand bezahlen können. Aber die Bahn wurde, nachdem die Bundesregierung ein Investitionsprogramm auflegte und die Länder und die Kreise sich daran beteiligten, so modernisiert, dass diese viel wirtschaftlicher fahren kann. Die Triebwagenzüge können optimal der nachfrage angepasst werden. Sie belegen, obwohl sie verschiedene Ziele anfahren, auf stark befahrenen Streckenabschnitten nur eine Fahrplantrasse. Statt wie heute alle 2 Stunden kann man nun alle 30 Minuten nach Hannover fahren. Die Bahn war zwar auch früher schon ein umweltfreundliches Verkehrsmittel, aber ein viel zu großer Zug mit nur wenigen Fahrgästen verbraucht pro Kopf auch viel Energie. Die Triebwagen sind viel sparsamer als der alte Zug und sprechen durch den dichten Fahrplan viel mehr Fahrgäste an.

Heute macht man sich Gedanken, wie man die Bahnstrecke nach Rheda Wiedenbrück wieder aufbauen kann. Die PESAG (heute der Padersprinter) baut ja noch kräftig an ihrem Straßenbahnnetz. Sie plant derzeit Delbrück und Wartendorf bis Münster zu fahren, um mit den im Aufbau befindlichen Straßenbahnen in Münster eine Verbindung herzustellen.

Wenn ich heute in Paderborn zum Bahnhof gehe, ist da ein reges Leben. Wegen der vielen Bahnfahrgäste wurde die Bahnhofstraße zwischen Hauptbahnhof und Westerntor zur Fußgängerzone. Der Einzelhandelsverband fordert trotz des guten Bus-, Straßenbahn- und Zugangebotes weitere Fahrten und eine Reduzierung der Parkplatzmenge in der Stadt, da der Platz viel sinnvoller für eine attraktive Stadtgestaltung genutzt werden könnte. Die Zahl der Autofahrer unter den Einkäufern ist mit 10% nur noch sehr gering. Zum Liborifest müssen die Triebwagenzüge regelmäßig verstärkt werden. Besonders Touristen im Sauerland nutzen gerne die Sonderrückfahrkarten zum Liborifest. Früher war es nicht möglich, ohne Stau und Stress mit soviel Komfort schnell nach Paderborn zu kommen. heute sind Kunden aus dem Sauerland in Paderborn keine Seltenheit.

Da auch in Paderborn die Menschen auf die Vorteile eines Autos nicht verzichten wollen, beteiligen sich die meisten Menschen, die ihr Auto aufgegeben haben, am Carsharing. Die Carsharing Organisation hält für je 20 Mitglieder ein Auto vor. Wer ein Auto braucht, kann spontan eines telefonisch buchen (heute ist das mit dem Internet noch leichter). Es gibt eine große Auswahl, je nachdem wofür das Auto gebraucht wird. Der Einsitzer für die Einzelreise, der Kleinbus für den großen Familienausflug oder der Transporter für den Umzug stehen jederzeit zur Verfügung. Wenn man Pech hat, muss man mal 2 km mit dem Fahrrad fahren, wenn am nahen Standort der gewünschte Wagen nicht verfügbar ist. Für jede Autofahrt zahlt man die vollen Autokosten, die bei keinem Wagen unter 80 Pfennig je Kilometer liegen. Dafür spart man die Fixkosten eines eigenen Autos ein. Der Normaltarif der Bahn ist mit 25 Pfennigen / Kilometer weitaus preiswerter. Noch weniger kosten Zeitkarten oder mit der Bahncard gekaufte Fahrkarten.

Paderborn ist eine ruhige, aber lebendige Stadt geworden. Wenn man einmal Auto fahren muss, hat man freiemStraßen, weil das Fahrrad und der öffentliche Verkehr sowie das Laufen die wichtigsten Verkehrsarten geworden sind. Dank des geringen Autoverkehrs sind die Unfallzahlen enorm zurück gegangen. Im letzten Jahr ist niemand in der Stadt im Straßenverkehr ums Leben gekommen. Die Busfahrer haben beim Fahren viel weniger Stress und Gesundheitsbelastungen und sind dadurch noch viel freundlicher geworden. Mann kann sich auf der Straße wieder unterhalten, ohne gegen den Verkehrslärm anbrüllen zu müssen. Derzeit streitet der Stadtrat wofür man das in den 90er Jahren gebaute Parkhaus am Neuhäuser Tor umwidmen könnte.

Die Industrie hat die Verkehrswende besser verkraftet, als andere es vorhergesagt haben. Um den öffentlichen und Fahrrad- Verkehr sind eine Menge an Service- und Zulieferbetrieben entstanden. Die Schienenfahrzeuge sind im Gegensatz zum Transrapid, der in den 90 Jahren das Wunderkind im Verkehrsbereich sein sollte, wegen der guten Betriebserfahrungen zu einem wichtigen Exportprodukt geworden. Die Benteler- werke sind einwichtiger Zulieferer für Lokomotiven, Windräder und Solarzellen geworden. Nixdorf liefert Steuerungen für die Regenassernutzung, die in Neubaugebieten vorgeschrieben wurde, ebenso die Zuglaufschilder. Blockheizkraftwerke liefern in den neuen Siedlungen Strom und Nahwärme. Die Häuser dürfen nur noch so gebaut werden, dass die Sonnenenergie passiv und aktiv genutzt werden kann. Die Solartenergieinitiative hat bundesweit vollen erfolg gehabt und der deutschen Wirtschaft eine Spitzenstellung ermöglicht. Züge und Busse haben heute solarzellen auf dem Dach, die nebenbei die die Sonnenhitze abfangen. Die Bahnsteige sind mit Solarzellen gegen Regen geschützt und große Glasflächen dienen als Solarkraftwerk. Das Vorbild dieser Politik macht auch in anderen Ländern Schule. Auch Entwicklungsländer setzen im Verkehr wieder auf die Schiene und profitieren von dem Solar- Entwicklungshilfeprogramm der Bundesregierung. So ist es gelungen, den CO2- Ausstoß trotz des noch immer anhaltenden Bevölkerungswachstums bei steigenden Wohlstand in der dritten Welt zu senken. Aber auch die Wachstumsraten bei der Weltbevölkerung sind durch gerechtere Welthandelsstrukturen deutlich gesunken.

Ja, heute im Jahr 2010 ist zwar nicht alles gut, aber an die 80er und 90er Jahre des letzten Jahrhunderts denkt man heute mit Grausen zurück. Und wieviel Widerstand gab es gegen diese Entwicklung zum Guten?

Was stand heute noch in der Zeitung? Ach ja, der ADAC hat die zwei- Millionen – Mitglieder- Grenze unterschritten. Die Menschen brauchen einfach keine Schutzbriefe mehr. Der ADAC will nun seinen Service für Bahn- und Radfahrer deutlich ausweitenn und so den Trend wieder umkehren. Aber ob er da gegen die viel größeren Gruppen VCD, ADFC und PRO BAHN eine Chance hat?

20 Jahre Verspätung – Zur Einführung des Triebwagenverkehrs auf der Eisenbahnstrecke Wuppertal – Remscheid – Solingen

Leserbrief in der Bergischen Morgenpost, Rubrik „Bergisches Land“ vom 13.10.94

zu: „Die ersten schnellen Dieselzüge sind schon im Einsatz (BM vom 23. September 1994

Endlich kommen die Triebwagen auf die bergische Hauptstrecke von Wuppertal nach Solingen über Remscheid. Und die Politiker werden jetzt nicht müde, dies als einen Erfolg darzustellen. Aber ist es ein Erfolg, wenn man 20 Jahre lang nichts tut? 1974 verließen die ersten Triebwagen der Baureihe 628 die Werkshallen.  Aber von einer Hand voll Fahrzeuge abgesehen, wurde der Bundesbahn vom Bundesverkehrsministerium nicht erlaubt, diese Fahrzeuge zu beschaffen. Beim Straßenverkehr wurde dagegen nicht gespart, was ein Vergleich der Autobahnkarte von 1974 und 1994 zeigt. Für die Bahn bedeute diese Politik, dass sie 20 Jahre lang sinnlos mit zu teurem Zügen ein höheres Defizit einfahren musste, weil sie von der Politik dazu gezwungen wurde. Die Folge davon sind heute die Bahnschulden und die Zinsen, die wiederrum der Steuerzahler tilgen muss.

Nun darf man gespannt sein, ob es den Politikern gelinkt, eine Regionalbahngesellschaft für den Güterverkehr und mittelfristig auch für den Personenverkehr auf den Resten des von den Politikern zerschlagenen bergischen Eisenbahnnetzes zu gründen. Im Emsland hat eine Kreisbahn den Güterregionalverkehr auch auf den Hauptstrecken übernommen. Diese Gesellschaft fährt sogar wieder schwarze Zahlen.

Auch im Bergischen Land könnten viele Unternehmen wieder zu Kunden der Schiene werden, wenn eine verlässliche Politik die Zukunft und Modernisierung der Güterbahn sichert. Beraten lassen kann man sich u.a. beim Verband deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) in Köln. Ein Kilometer Kreisbahn sei, so ein Vertreter des VDV, preiswerter als ein Kilometer Kreisstraße. Die Wähler sollten die nun zur Wahl stehenden Politiker fragen, welche Bedeutung für diese die Schiene in unserer Region hat? Schließlich hat es der Wähler in der Hand, ob Politiker in die Verantwortung kommen, die etwas für die Bahn tun wollen. Wegen der Versäumnisse in den letzten 20 Jahren können sich die Altparteien sicher sein, dass sie diesmal meine Stimme nicht bekommen.

Felix Staratschek, Freiligrathstr. 2, 42477 Radevormwald

19 Jahre später, im Jahr 2013 wird die Ära der Baureihe 628 auf der Strecke des Müngstener enden. Diese Triebzüge schienen immer wieder mit den Bedingungen im Bergischen Land überfordert, so dass es immer wieder zu Zugausfällen kam und an manchen Herbsttagen der Verkehr ganz zusammen brach. 2012 ist das Herbstchaos jedoch ausgeblieben. Mal sehen, wie Abellio mit der bergischen Topographie zurecht kommt.

Bilder vom Müngstener